Reziprozität – Das Geschäft mit dem schlechten Gewissen
Kennen wir das nicht alle? Mist, doch wieder ’ne Zeitschrift abonniert, gespendet, Versicherung abgeschlossen,… etc
Der Abend begann recht harmonisch, das Essen im Restaurant war einfach zubereitet, aber lecker. Kurz vorm Absacker
öffnete sich die Tür und eine zwilichtige Figur trat ein. Ein Schild hing um seinen Hals, Taubstumm stand darauf.
Er wandelte von einem Tisch zum nächsten und legte kleine Glücksbringerkettchen auf den Tisch. Sollte ein Geschenk sein, stellte sich heraus. Was sollte das werden, fragte ich mich. Die Nervösität meines Tischgenossen war mir nicht entgangen, er ahnte was gleich kommt. Der Verschenker kam nun an jeden Tisch und wollte eine kleine Spende für’s Essen, Trinken und eine Unterkunft. Einige Gäste zuckten sofort ihr Portemonnaie und ’spendeten‘. Auch mein Kollege zollte seinen Tribut.
Stop! Bis hierher und nicht weiter – Kurzanalyse war angesagt.
1.) Hätte der Fremde einfach nur um Geld gebettelt, ohne vorher kleine Geschenke zu verteilen, auch soviel bekommen?
2.) Welches Psycho-Spiel ist hier abgelaufen?
Der Täter wusste genau um das Prinzip der Reziprozität. Erst ‚verschenkt‘ er etwas, um dann das ’schlechte Gewissen‘
des Beschenkten zu nutzen, um eine höhere Spende zu kassieren. Bekommen wir etwas geschenkt, wollen wir es zurückzahlen, so brutal das auch klingt. Wir wollen niemanden etwas schuldig bleiben, weder einen Gefallen, Hilfeleistung, Geschenk, … etc. Es wird immer eine unterschwellige Schuld erzeugt. Das Prinzip funktioniert auch im Geschäftsumfeld, Politik, Hilfsorganisationen und der Arbeitswelt.
Politik: Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft (Parteispenden, eine langfristige Investition)
Geschäftsumfeld: Gratisprobe im Supermarkt (am Ende kaufen wir das Produkt doch)
Arbeitswelt: Netzwerke (Yogagruppe, Team – Die Mitgliedschaft hat eine Erwartungshaltung, ich bringe mich ins Team ein und bekomme..?)